Warum ich diesen Blog anonym
schreibe.
In seiner Antwort auf meinen
Text „Rebellion?“ erwähnt Christoph Hochhäusler, dass er es unzulässig von mir
findet, diesen Text anonym veröffentlicht zu haben.
Ich bin in diesem Punkt sehr
im Zwiespalt mit mir, denn ich bin mir über die Problematik meines Vorgehens
bewusst. Mich in einem Text, der als Vorwurf oder gar Angriff verstanden werden
kann, hinter Anonymität zu verbergen, kann berechtigten Ärger erzeugen, das
Gefühl eines polemischen Angriffs zuungunsten des Inhalts verstärken und scheint
überdies nicht zuletzt auch angesichts des Themas unangebracht, denn die von
mir sinngemäß formulierte Frage, warum sich niemand (mehr) traut, öffentlich
und mutig für eine Überzeugung einzustehen, könnte ja genauso an mich selbst
gerichtet lauten, warum ich mich nur traue, diesen Eintrag anonym zu posten. Ich
fordere eine öffentliche Stellungnahme auch unter Inkaufnahme der
Selbstbeschädigung, verstecke mich aber hinter der Anonymität – das kann als
unmoralisch und feige gelesen werden.
Habe ich selbst vielleicht
zu viel Angst vor der Courage oder befürchte gar, eine polemische und
polarisierende Äußerung könne meinem eigenen filmischen Schaffen schaden – denn
ich habe mich in meinem Text durchaus auch auf mich selbst bezogen und
darauf, wie ich mich immer mal wieder im Dialog mit Verantwortlichen von
Sendern, Förderungen etc. wahrnehme. Und nähme mir diese Feigheit nicht jede
Legitimation, sie in meinem Text anzuprangern?
Darüber hinaus bin ich mir
im Klaren, dass man sich bei einem Blogeintrag wie meinem, der ja kein
privater, im Sinne eines persönlichen Erlebnisses, sondern eher ein
„journalistischer“ ist, und sich ganz bewusst an eine, wenn auch
diffuse Öffentlichkeit richtet, grundsätzlich den (berechtigten) Vorwurf von
„Geschmäckle“ – schlechtem Beigeschmack oder gar Unmoralität einhandeln kann,
wenn man sich als Autor nicht preisgibt.
Insofern muss ich Christoph Hochhäusler
recht geben, wenn er erwartet, dass ich bereit bin für das Geschriebene einzustehen,
indem ich mein „Gesicht“ zeige und es erscheint gegen dieses Argument in der
Tat schwierig, zu behaupten, dass ich das an dieser Stelle dennoch tue, indem
ich mich nicht entziehe, sondern zur Verfügung stehe. Und vermutlich tue ich es
trotz dieser Begründung, auch in dem Sinne, den Hochhäusler fordert, nicht oder
nicht wirklich.
Das ist ohne Zweifel ein
Problem.
Aber die Erklärung dafür,
dass ich diesen Blog bisher nicht unter meinem Klarnamen schreibe, ist nicht Feigheit.
Das entscheidende Argument für
mich, anonym zu posten, ist in meiner Position als unetablierter Filmemacher zu finden.
Ich habe eben die Filmhochschule beendet und gehöre somit zwar zum sicherlich begünstigten
und hoffnungsvolleren Nachwuchs des „deutschen Films“, wie meine weitere „Karriere“
verläuft, ist jedoch zumindest fraglich. Ich habe kein filmisches Werk
vorzuweisen und daher keine Position in der Filmlandschaft, die mich vom
Verdacht freimachen würde, mich mit einer polarisierenden, polemischen,
streitbaren und provokanten Äußerung profilieren zu wollen.
Ich poste nicht, um mich als
werdender Filmemacher zu positionieren oder mich über einen Blog in die Nähe
von bereits etablierten Filmemachern zu rücken. Als werdender Filmemacher will
ich über meine Filme ernst genommen werden, ich will mich jedoch nicht jenseits
meines Filmemachens für eben dies billig ins Gespräch bringen. Das empfände ich
als unerträglich eitel.
Wie ich geschrieben habe,
lehne ich die Inszenierung des eigenen Images ab. Vielleicht ist das naiv, aber
ein mit meinem Namen verbundener Protest hätte für mich an dieser Stelle meiner
filmischen Laufbahn einen sehr bitteren Beigeschmack, da er in den Verdacht
geraten könnte, nichts als eine narzisstische Karrierestrategie zu sein.
Und das schlimmste, was
meinem Anliegen (ganz unabhängig von meiner persönlichen Empfindung und Empfindsamkeit)
passieren könnte ist, dass es mit dem Hinweis auf den „Wunsch nach
Profilierung“ nicht an- oder ernst genommen werden würde.
Denn ich schreibe, weil es
mir um die inhaltliche Auseinandersetzung geht. Eine Anonymität darin ist für
mich die größtmögliche Hinwendung zum Inhalt, weg von der schreibenden Person,
die in meinem Fall ja darüber hinaus auch (noch) völlig belanglos und nicht
mehr als ein Name ist.
Meine Anonymität in diesem
Blog scheint mir von daher Ausdruck meiner Ernsthaftigkeit in der Sache zu
sein, in der Hoffnung mein ganz grundsätzliches und als Bedürfnis
wahrgenommenes Interesse an einer Debatte nicht mit meiner, wie auch immer
gearteten, „Karriere“ vermischt zu sehen – ich möchte einem Verdacht, wie ihn sich
Christoph Hochhäusler von Stefan Arndt ausgesetzt sah, von vorneherein den Boden
entziehen.
Im Moment wiegt dieser Grund
für mich schwerer, als die oben geschilderten Bedenken. Aber vielleicht irre ich
auch, übersehe etwas oder gewichte Argumente falsch. Ich werde dem weiter
nachfühlen und mich den Widersprüchen und der Kritik, die kommen, offen stellen.
Und ggf. werde ich meine Einstellung ändern.
Solange ich jedoch kein
Argument dafür sehen, wie die Aufhebung meiner Anonymität diese Debatte
inhaltlich bereichern würde, sondern eher das Gefühl habe, sie könne durch den
Verdacht von Narzissmus beschädigt oder gar nicht erst angenommen werden, versuche
ich, meine Person rauszuhalten. Wenn es jedoch einen stichhaltigen Grund im
Sinne eines Mehrwerts für die Debatte gibt, bin ich gerne bereit, mein „Gesicht“
zu zeigen.
Ich hoffe, mit diesem
Beitrag nachvollziehbare und akzeptable Gründe für mein anonymes Schreiben
geben zu können, und dass diese Diskussion meine Gründe dafür letztlich nicht ad
absurdum führt, indem sie die eigentlich mögliche Auseinandersetzung um politische
Äußerung im deutschen Film bzw. der deutschen Filmlandschaft überlagert, die
mit meinem Text und Christoph Hochhäuslers Erwiderung angeregt wird, und
wünsche mir, dass der Diskurs ab nun jenseits der Anonymitätsfrage fortgeführt
werden kann.
Soviel zu mir. Vorerst.
Hallo „Halbnah” - ich finde deine Argumentation widersprüchlich. Einerseits möchtest du deine Position als „unetablierter Filmemacher” schützen (Wovor?), andererseits die Debatte nicht mit dem „Verdacht auf Profilierung” kontaminieren, weil das „billig” wäre. Ein bisschen absurd angesichts deines mehr oder weniger feuilletonistischen Textes, der sich zwar vage „mehr Mut” wünscht (und das mit Recht), aber eben keine Namen nennt, keine konkreten Konsequenzen fordert, kurz: der letztlich gar nicht das Potenzial hat, dich zu gefährden, in welche Richtung auch immer. Damit bist du die beste Illustration für das benannte Problem --- Grüße,
AntwortenLöschenChristoph
Ich glaube, du hast mich falsch verstanden - ich will nicht mich vor den Konsequenzen der Debatte schützen (das wäre in der Tat lächerlich) - ich will die Debatte davor schützen, dass mein Status als unetablierter Filmemacher dazu führt, dass meine Kritik abgetan wird als Versuch, sich zu profilieren. Davor, dass der Inhalt nicht ernstgenommen wird, weil mir in meiner Position unterstellt werden könnte, es ginge mir lediglich darum, Aufmerksamkeit zu bekommen.
AntwortenLöschenVielleicht ist diese Einschätzung naiv und ich liege falsch damit, diesem Anspruch den Vorzug zu geben, wenn dies dazu führt, dass ich letztlich als unmutige "Illustration" des von mir geschilderten Problems angesehen werde.
Ich bedauere in jedem Fall, dass diese Entscheidung das Potential hat so großen Unwillen an einer ungewollten Stelle zu erzeugen und damit so stark vom eigentlich zu Debattierenden wegführt. Vielleicht wäre der, durch die Aufhebung meiner Anonymität erreichte, inhaltliche Mehrwert für die Debatte schlicht der, dass endlich über das diskutiert werden könnten, was uns vielleicht beiden am Herzen liegt...
Lass mich drüber nachdenken...
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AntwortenLöschenWie schließt du von Braschs Auftritt darauf, dass er nicht viel Vertrauen in sein Werk hatte? Dieser Gedankengang ist mir nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil glaube ich, dass Braschs Rede eher ein Indiz von Selbstvertrauen war. Er tritt extrem reflektiert auf und spricht davon, den geschilderten Widerspruch aushalten und befördern zu wollen - das geht meiner Meinung nach nur aus einer gefestigten oder zumindest als gefestigt empfundenen (inneren und künstlerischen) Position heraus.
AntwortenLöschenDas ein Anliegen im Sinne einer politische Äußerung als Prämisse für ein künstlerisches Werk meistens keine Gute Wahl ist, ist denke ich unbestritten - aber eine künstlerische Arbeit braucht eine Haltung. Ich glaube, dass die - besonders wenn man Filme macht - auch politisch ist. Und ich glaube, dass sie auch jenseits des Werks geäußert werden darf. Dort vielleicht sogar radikaler... Das ist es, was mich an Braschs Rede so fasziniert.
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