Mittwoch, 23. November 2011

Unzulässig?


Warum ich diesen Blog anonym schreibe.


In seiner Antwort auf meinen Text „Rebellion?“ erwähnt Christoph Hochhäusler, dass er es unzulässig von mir findet, diesen Text anonym veröffentlicht zu haben.

Ich bin in diesem Punkt sehr im Zwiespalt mit mir, denn ich bin mir über die Problematik meines Vorgehens bewusst. Mich in einem Text, der als Vorwurf oder gar Angriff verstanden werden kann, hinter Anonymität zu verbergen, kann berechtigten Ärger erzeugen, das Gefühl eines polemischen Angriffs zuungunsten des Inhalts verstärken und scheint überdies nicht zuletzt auch angesichts des Themas unangebracht, denn die von mir sinngemäß formulierte Frage, warum sich niemand (mehr) traut, öffentlich und mutig für eine Überzeugung einzustehen, könnte ja genauso an mich selbst gerichtet lauten, warum ich mich nur traue, diesen Eintrag anonym zu posten. Ich fordere eine öffentliche Stellungnahme auch unter Inkaufnahme der Selbstbeschädigung, verstecke mich aber hinter der Anonymität – das kann als unmoralisch und feige gelesen werden. 
Habe ich selbst vielleicht zu viel Angst vor der Courage oder befürchte gar, eine polemische und polarisierende Äußerung könne meinem eigenen filmischen Schaffen schaden – denn ich habe mich in meinem Text durchaus auch auf mich selbst bezogen und darauf, wie ich mich immer mal wieder im Dialog mit Verantwortlichen von Sendern, Förderungen etc. wahrnehme. Und nähme mir diese Feigheit nicht jede Legitimation, sie in meinem Text anzuprangern?

Darüber hinaus bin ich mir im Klaren, dass man sich bei einem Blogeintrag wie meinem, der ja kein privater, im Sinne eines persönlichen Erlebnisses, sondern eher ein „journalistischer“ ist, und sich ganz bewusst an eine, wenn auch diffuse Öffentlichkeit richtet, grundsätzlich den (berechtigten) Vorwurf von „Geschmäckle“ – schlechtem Beigeschmack oder gar Unmoralität einhandeln kann, wenn man sich als Autor nicht preisgibt.

Insofern muss ich Christoph Hochhäusler recht geben, wenn er erwartet, dass ich bereit bin für das Geschriebene einzustehen, indem ich mein „Gesicht“ zeige und es erscheint gegen dieses Argument in der Tat schwierig, zu behaupten, dass ich das an dieser Stelle dennoch tue, indem ich mich nicht entziehe, sondern zur Verfügung stehe. Und vermutlich tue ich es trotz dieser Begründung, auch in dem Sinne, den Hochhäusler fordert, nicht oder nicht wirklich.

Das ist ohne Zweifel ein Problem.

Aber die Erklärung dafür, dass ich diesen Blog bisher nicht unter meinem Klarnamen schreibe, ist nicht Feigheit.

Das entscheidende Argument für mich, anonym zu posten, ist in meiner Position als unetablierter Filmemacher zu finden. Ich habe eben die Filmhochschule beendet und gehöre somit zwar zum sicherlich begünstigten und hoffnungsvolleren Nachwuchs des „deutschen Films“, wie meine weitere „Karriere“ verläuft, ist jedoch zumindest fraglich. Ich habe kein filmisches Werk vorzuweisen und daher keine Position in der Filmlandschaft, die mich vom Verdacht freimachen würde, mich mit einer polarisierenden, polemischen, streitbaren und provokanten Äußerung profilieren zu wollen.
Ich poste nicht, um mich als werdender Filmemacher zu positionieren oder mich über einen Blog in die Nähe von bereits etablierten Filmemachern zu rücken. Als werdender Filmemacher will ich über meine Filme ernst genommen werden, ich will mich jedoch nicht jenseits meines Filmemachens für eben dies billig ins Gespräch bringen. Das empfände ich als unerträglich eitel.
Wie ich geschrieben habe, lehne ich die Inszenierung des eigenen Images ab. Vielleicht ist das naiv, aber ein mit meinem Namen verbundener Protest hätte für mich an dieser Stelle meiner filmischen Laufbahn einen sehr bitteren Beigeschmack, da er in den Verdacht geraten könnte, nichts als eine narzisstische Karrierestrategie zu sein.
Und das schlimmste, was meinem Anliegen (ganz unabhängig von meiner persönlichen Empfindung und Empfindsamkeit) passieren könnte ist, dass es mit dem Hinweis auf den „Wunsch nach Profilierung“ nicht an- oder ernst genommen werden würde.

Denn ich schreibe, weil es mir um die inhaltliche Auseinandersetzung geht. Eine Anonymität darin ist für mich die größtmögliche Hinwendung zum Inhalt, weg von der schreibenden Person, die in meinem Fall ja darüber hinaus auch (noch) völlig belanglos und nicht mehr als ein Name ist.
Meine Anonymität in diesem Blog scheint mir von daher Ausdruck meiner Ernsthaftigkeit in der Sache zu sein, in der Hoffnung mein ganz grundsätzliches und als Bedürfnis wahrgenommenes Interesse an einer Debatte nicht mit meiner, wie auch immer gearteten, „Karriere“ vermischt zu sehen – ich möchte einem Verdacht, wie ihn sich Christoph Hochhäusler von Stefan Arndt ausgesetzt sah, von vorneherein den Boden entziehen.

Im Moment wiegt dieser Grund für mich schwerer, als die oben geschilderten Bedenken. Aber vielleicht irre ich auch, übersehe etwas oder gewichte Argumente falsch. Ich werde dem weiter nachfühlen und mich den Widersprüchen und der Kritik, die kommen, offen stellen. Und ggf. werde ich meine Einstellung ändern.
Solange ich jedoch kein Argument dafür sehen, wie die Aufhebung meiner Anonymität diese Debatte inhaltlich bereichern würde, sondern eher das Gefühl habe, sie könne durch den Verdacht von Narzissmus beschädigt oder gar nicht erst angenommen werden, versuche ich, meine Person rauszuhalten. Wenn es jedoch einen stichhaltigen Grund im Sinne eines Mehrwerts für die Debatte gibt, bin ich gerne bereit, mein „Gesicht“ zu zeigen.

Ich hoffe, mit diesem Beitrag nachvollziehbare und akzeptable Gründe für mein anonymes Schreiben geben zu können, und dass diese Diskussion meine Gründe dafür letztlich nicht ad absurdum führt, indem sie die eigentlich mögliche Auseinandersetzung um politische Äußerung im deutschen Film bzw. der deutschen Filmlandschaft überlagert, die mit meinem Text und Christoph Hochhäuslers Erwiderung angeregt wird, und wünsche mir, dass der Diskurs ab nun jenseits der Anonymitätsfrage fortgeführt werden kann.

Soviel zu mir. Vorerst.

5 Kommentare:

  1. Hallo „Halbnah” - ich finde deine Argumentation widersprüchlich. Einerseits möchtest du deine Position als „unetablierter Filmemacher” schützen (Wovor?), andererseits die Debatte nicht mit dem „Verdacht auf Profilierung” kontaminieren, weil das „billig” wäre. Ein bisschen absurd angesichts deines mehr oder weniger feuilletonistischen Textes, der sich zwar vage „mehr Mut” wünscht (und das mit Recht), aber eben keine Namen nennt, keine konkreten Konsequenzen fordert, kurz: der letztlich gar nicht das Potenzial hat, dich zu gefährden, in welche Richtung auch immer. Damit bist du die beste Illustration für das benannte Problem --- Grüße,

    Christoph

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  2. Ich glaube, du hast mich falsch verstanden - ich will nicht mich vor den Konsequenzen der Debatte schützen (das wäre in der Tat lächerlich) - ich will die Debatte davor schützen, dass mein Status als unetablierter Filmemacher dazu führt, dass meine Kritik abgetan wird als Versuch, sich zu profilieren. Davor, dass der Inhalt nicht ernstgenommen wird, weil mir in meiner Position unterstellt werden könnte, es ginge mir lediglich darum, Aufmerksamkeit zu bekommen.

    Vielleicht ist diese Einschätzung naiv und ich liege falsch damit, diesem Anspruch den Vorzug zu geben, wenn dies dazu führt, dass ich letztlich als unmutige "Illustration" des von mir geschilderten Problems angesehen werde.

    Ich bedauere in jedem Fall, dass diese Entscheidung das Potential hat so großen Unwillen an einer ungewollten Stelle zu erzeugen und damit so stark vom eigentlich zu Debattierenden wegführt. Vielleicht wäre der, durch die Aufhebung meiner Anonymität erreichte, inhaltliche Mehrwert für die Debatte schlicht der, dass endlich über das diskutiert werden könnten, was uns vielleicht beiden am Herzen liegt...

    Lass mich drüber nachdenken...

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  4. Wie schließt du von Braschs Auftritt darauf, dass er nicht viel Vertrauen in sein Werk hatte? Dieser Gedankengang ist mir nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil glaube ich, dass Braschs Rede eher ein Indiz von Selbstvertrauen war. Er tritt extrem reflektiert auf und spricht davon, den geschilderten Widerspruch aushalten und befördern zu wollen - das geht meiner Meinung nach nur aus einer gefestigten oder zumindest als gefestigt empfundenen (inneren und künstlerischen) Position heraus.

    Das ein Anliegen im Sinne einer politische Äußerung als Prämisse für ein künstlerisches Werk meistens keine Gute Wahl ist, ist denke ich unbestritten - aber eine künstlerische Arbeit braucht eine Haltung. Ich glaube, dass die - besonders wenn man Filme macht - auch politisch ist. Und ich glaube, dass sie auch jenseits des Werks geäußert werden darf. Dort vielleicht sogar radikaler... Das ist es, was mich an Braschs Rede so fasziniert.

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