Ein offener Brief der Studenten der dffb an Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit:
Die Studenten der Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin
Potsdamer Straße 2
10785 Berlin
Nachricht an:
RA Matthias Trenczek
Kaiserdamm 100
14057 Berlin
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit
- Senatskanzlei -
Jüdenstraße 1
10178 Berlin
Zur Kenntnisnahme:
Direktion, Dozenten & Mitarbeiter der dffb
Das Kuratorium der dffb
Die Filmpresse
Offener Brief zur Auflösung sämtlicher Organe der studentischen Repräsentation an der Deutschen Film- und Fernsehakademie
Sehr geehrter Herr Wowereit,
hiermit möchten wir Sie darüber informieren, dass die StudentInnen der
Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) in der Vollversammlung
vom 16.11.2011 beschlossen haben, sämtliche in den Statuten der dffb
festgelegten Organe der studentischen Mitbestimmung (Studentenvertretung
und studentische Vertretung im Akademischen Rat) nach vierzigjährigem
Bestehen mit sofortiger Wirkung und ersatzlos aufzulösen.
Die vom Berliner Hochschulgesetz geregelte akademische Selbstverwaltung
realisierte die dffb im Akademischen Rat. In diesem 1968 ins Leben
gerufenen Gremium stimmten Studenten, Dozenten und Direktion über alle
studienrelevanten Inhalte mit gleichem Stimmgewicht ab. Die Direktoren
gaben so einen maßgeblichen Teil ihrer Macht ab, um das demokratische
Ideal der Drittelparität zu verwirklichen.
Jan Schütte, seit 2010 Direktor der Akademie, hat das Gremium als Ort
der Mitbestimmung von Studenten- und Dozentenschaft in der Praxis
abgeschafft. Heute entscheidet die Direktion, welche Themen dort
überhaupt verhandelt werden können, den Dozenten wird durch prekäre
Anstellungsverhältnissen die Vertretung eigenständiger Positionen massiv
erschwert. Ohnehin wurde der Akademische Rat im vergangenen Jahr nur
ein einziges Mal einberufen und tagte unter Ausschluss der
Akademieöffentlichkeit.
Die Vollversammlung hat in einem Brief den Vorsitzenden des Kuratoriums
der dffb, Herrn Eberhard Junkersdorf, gebeten, diese Missstände zu
beheben. Dieser Brief bleibt bis heute unbeantwortet.
Das Kuratorium reagiert nicht mehr auf Beschlüsse der Vollversammlung.
Es nimmt seine Aufsichtsplichten nicht wahr. So findet keine Evaluation
des Lehrbetriebs statt. Ebenso wenig stellt es sicher, dass die
StudentInnen die kurrikulumsrelevanten Filmproduktionen machen können.
Herr Schütte ist nicht an der dffb eingeführt worden, er hielt keine
Antrittsrede.
Die studentische Vollversammlung stellt mit ihrer Entscheidung klar,
dass sie nicht weiter eine Alibifunktion in einer dysfunktionalen
akademischen Selbstverwaltung übernehmen will. Wir bitten Sie, die
notwendigen Schritte einzuleiten, damit der akademische Betrieb der dffb
wieder in vollem Umfang stattfinden kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Studenten der dffb
Berlin, 14. Dezember 2011
Donnerstag, 15. Dezember 2011
Donnerstag, 8. Dezember 2011
Feigheit vor dem Feind?
"Man kommt nicht darum herum, Farbe zu bekennen, und zu kämpfen. Dazu gehören Kampfverbände. Dazu gehören Bekenntnisse."
Rüdiger Suchsland schreibt auf artechock.de über die Förder- und Finanzierungsbedingungen in Deutschland und kritisiert, dass deutsche Filmemacher die politische Äußerung fürchten - sowohl inhaltlich-konkret als auch in einer grundsätzlichen Positionierung.
Ein spannender Artikel, der im Kern dem entspricht, worüber ich mir hier Gedanken mache.
Rüdiger Suchsland schreibt auf artechock.de über die Förder- und Finanzierungsbedingungen in Deutschland und kritisiert, dass deutsche Filmemacher die politische Äußerung fürchten - sowohl inhaltlich-konkret als auch in einer grundsätzlichen Positionierung.
Ein spannender Artikel, der im Kern dem entspricht, worüber ich mir hier Gedanken mache.
Mittwoch, 23. November 2011
Unzulässig?
Warum ich diesen Blog anonym
schreibe.
In seiner Antwort auf meinen
Text „Rebellion?“ erwähnt Christoph Hochhäusler, dass er es unzulässig von mir
findet, diesen Text anonym veröffentlicht zu haben.
Ich bin in diesem Punkt sehr
im Zwiespalt mit mir, denn ich bin mir über die Problematik meines Vorgehens
bewusst. Mich in einem Text, der als Vorwurf oder gar Angriff verstanden werden
kann, hinter Anonymität zu verbergen, kann berechtigten Ärger erzeugen, das
Gefühl eines polemischen Angriffs zuungunsten des Inhalts verstärken und scheint
überdies nicht zuletzt auch angesichts des Themas unangebracht, denn die von
mir sinngemäß formulierte Frage, warum sich niemand (mehr) traut, öffentlich
und mutig für eine Überzeugung einzustehen, könnte ja genauso an mich selbst
gerichtet lauten, warum ich mich nur traue, diesen Eintrag anonym zu posten. Ich
fordere eine öffentliche Stellungnahme auch unter Inkaufnahme der
Selbstbeschädigung, verstecke mich aber hinter der Anonymität – das kann als
unmoralisch und feige gelesen werden.
Habe ich selbst vielleicht
zu viel Angst vor der Courage oder befürchte gar, eine polemische und
polarisierende Äußerung könne meinem eigenen filmischen Schaffen schaden – denn
ich habe mich in meinem Text durchaus auch auf mich selbst bezogen und
darauf, wie ich mich immer mal wieder im Dialog mit Verantwortlichen von
Sendern, Förderungen etc. wahrnehme. Und nähme mir diese Feigheit nicht jede
Legitimation, sie in meinem Text anzuprangern?
Darüber hinaus bin ich mir
im Klaren, dass man sich bei einem Blogeintrag wie meinem, der ja kein
privater, im Sinne eines persönlichen Erlebnisses, sondern eher ein
„journalistischer“ ist, und sich ganz bewusst an eine, wenn auch
diffuse Öffentlichkeit richtet, grundsätzlich den (berechtigten) Vorwurf von
„Geschmäckle“ – schlechtem Beigeschmack oder gar Unmoralität einhandeln kann,
wenn man sich als Autor nicht preisgibt.
Insofern muss ich Christoph Hochhäusler
recht geben, wenn er erwartet, dass ich bereit bin für das Geschriebene einzustehen,
indem ich mein „Gesicht“ zeige und es erscheint gegen dieses Argument in der
Tat schwierig, zu behaupten, dass ich das an dieser Stelle dennoch tue, indem
ich mich nicht entziehe, sondern zur Verfügung stehe. Und vermutlich tue ich es
trotz dieser Begründung, auch in dem Sinne, den Hochhäusler fordert, nicht oder
nicht wirklich.
Das ist ohne Zweifel ein
Problem.
Aber die Erklärung dafür,
dass ich diesen Blog bisher nicht unter meinem Klarnamen schreibe, ist nicht Feigheit.
Das entscheidende Argument für
mich, anonym zu posten, ist in meiner Position als unetablierter Filmemacher zu finden.
Ich habe eben die Filmhochschule beendet und gehöre somit zwar zum sicherlich begünstigten
und hoffnungsvolleren Nachwuchs des „deutschen Films“, wie meine weitere „Karriere“
verläuft, ist jedoch zumindest fraglich. Ich habe kein filmisches Werk
vorzuweisen und daher keine Position in der Filmlandschaft, die mich vom
Verdacht freimachen würde, mich mit einer polarisierenden, polemischen,
streitbaren und provokanten Äußerung profilieren zu wollen.
Ich poste nicht, um mich als
werdender Filmemacher zu positionieren oder mich über einen Blog in die Nähe
von bereits etablierten Filmemachern zu rücken. Als werdender Filmemacher will
ich über meine Filme ernst genommen werden, ich will mich jedoch nicht jenseits
meines Filmemachens für eben dies billig ins Gespräch bringen. Das empfände ich
als unerträglich eitel.
Wie ich geschrieben habe,
lehne ich die Inszenierung des eigenen Images ab. Vielleicht ist das naiv, aber
ein mit meinem Namen verbundener Protest hätte für mich an dieser Stelle meiner
filmischen Laufbahn einen sehr bitteren Beigeschmack, da er in den Verdacht
geraten könnte, nichts als eine narzisstische Karrierestrategie zu sein.
Und das schlimmste, was
meinem Anliegen (ganz unabhängig von meiner persönlichen Empfindung und Empfindsamkeit)
passieren könnte ist, dass es mit dem Hinweis auf den „Wunsch nach
Profilierung“ nicht an- oder ernst genommen werden würde.
Denn ich schreibe, weil es
mir um die inhaltliche Auseinandersetzung geht. Eine Anonymität darin ist für
mich die größtmögliche Hinwendung zum Inhalt, weg von der schreibenden Person,
die in meinem Fall ja darüber hinaus auch (noch) völlig belanglos und nicht
mehr als ein Name ist.
Meine Anonymität in diesem
Blog scheint mir von daher Ausdruck meiner Ernsthaftigkeit in der Sache zu
sein, in der Hoffnung mein ganz grundsätzliches und als Bedürfnis
wahrgenommenes Interesse an einer Debatte nicht mit meiner, wie auch immer
gearteten, „Karriere“ vermischt zu sehen – ich möchte einem Verdacht, wie ihn sich
Christoph Hochhäusler von Stefan Arndt ausgesetzt sah, von vorneherein den Boden
entziehen.
Im Moment wiegt dieser Grund
für mich schwerer, als die oben geschilderten Bedenken. Aber vielleicht irre ich
auch, übersehe etwas oder gewichte Argumente falsch. Ich werde dem weiter
nachfühlen und mich den Widersprüchen und der Kritik, die kommen, offen stellen.
Und ggf. werde ich meine Einstellung ändern.
Solange ich jedoch kein
Argument dafür sehen, wie die Aufhebung meiner Anonymität diese Debatte
inhaltlich bereichern würde, sondern eher das Gefühl habe, sie könne durch den
Verdacht von Narzissmus beschädigt oder gar nicht erst angenommen werden, versuche
ich, meine Person rauszuhalten. Wenn es jedoch einen stichhaltigen Grund im
Sinne eines Mehrwerts für die Debatte gibt, bin ich gerne bereit, mein „Gesicht“
zu zeigen.
Ich hoffe, mit diesem
Beitrag nachvollziehbare und akzeptable Gründe für mein anonymes Schreiben
geben zu können, und dass diese Diskussion meine Gründe dafür letztlich nicht ad
absurdum führt, indem sie die eigentlich mögliche Auseinandersetzung um politische
Äußerung im deutschen Film bzw. der deutschen Filmlandschaft überlagert, die
mit meinem Text und Christoph Hochhäuslers Erwiderung angeregt wird, und
wünsche mir, dass der Diskurs ab nun jenseits der Anonymitätsfrage fortgeführt
werden kann.
Soviel zu mir. Vorerst.
Montag, 7. November 2011
Rebellion?
![]() |
Thomas Brasch und Franz Josef Strauß |
In Christoph Rüters essayistischem Dokumentarfilm „Brasch -
Das Wünschen und das Fürchten“ gibt es eine Szene, in der Thomas Brasch für
seinen Film „Engel aus Eisen“ vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten
Franz Josef Strauß mit dem Bayerischen Filmpreis 1981 ausgezeichnet wird.
Brasch – linker Schriftsteller, Dichter und Filmemacher, der wenige Jahre zuvor
aus der DDR emigriert war – kommt auf die Bühne und der Preis ist völlig
nebensächlich für ihn – fast scheint es, er will ihn gar nicht von Strauß
annehmen, so sehr drängt es ihn, eine Begründung abzugeben, in der er die, in
seinem Umfeld stark umstrittene Annahme des Preises aus Strauß’ Händen erklärt.
Durch seine Rede kommt es beinahe zum Eklat – offen spricht Brasch seine
politische Differenz zu Strauß und seine generelle Opposition zum Staat sowie
seine Bedenken, die mit der Annahme des Preises verbunden sind, aus.
Dieses Eintreten für eine politische Haltung hat mich tief beeindruckt. Da ist ein Filmemacher, der ein Anliegen auch jenseits seines Filmemachens hat und dies ganz unabhängig von den eventuellen Folgen für eben dieses Filmemachen formuliert.
Dort hat ein Filmemacher eine politische Haltung, die so ernst ist, dass sie es nicht nur erfordert, die Annahme eines Preises von einem politischen Gegner scharf zu diskutieren und zu rechtfertigen, sonder die darüber hinaus den Drang und Mut hervorbringt, öffentlich für sie einstehen zu müssen auch unter Inkaufnahme der Beschädigung seines Images bei Zuschauern, Sendern, Förderern und Regierung.
Ich habe mich gefragt, warum ich kein Statement ähnlicher Kraft und mit ähnlichem Mut zum Eklat, geäußert an ähnlicher Stelle, von einem zeitgenössischen Filmemacher geschweige denn einem Filmemacher der jungen Generation, kenne.
Die lapidare Antwort: „Die Zeiten sind halt anders“ ist mir hier nicht genug. Braschs Rede liegt über 30 Jahre zurück, doch liegt mir eine revoluzzerhafte Nostalgie in diesem Zusammenhang fern - zu aktuell ist Braschs Anliegen.
Brasch verortet sich und die Kunst allgemein im Widerspruch zwischen dem anarchischen Anspruch, in der eigenen Arbeit subversiv den Staat anzugreifen und dies gleichzeitig mit dem Wohlwollen und Geld des Staates, gleichermaßen als „Komplize der Macht“ zu tun. Es ist für Brasch „der Widerspruch der Künstler im Zeitalter des Geldes schlechthin“.
Und er sieht dieses Zeitalter im Widerspruch „zwischen dem Zerfall der Ordnung, die Staat heißt und ihrem wütenden Überlebenskampf“. So wird spätestens mit Blick auf die „Eurokrise“ deutlich, dass auch Braschs – in seiner Opposition zu Strauß formulierte - politische Haltung nichts von ihrer Bedeutung verloren hat.
Dieses Eintreten für eine politische Haltung hat mich tief beeindruckt. Da ist ein Filmemacher, der ein Anliegen auch jenseits seines Filmemachens hat und dies ganz unabhängig von den eventuellen Folgen für eben dieses Filmemachen formuliert.
Dort hat ein Filmemacher eine politische Haltung, die so ernst ist, dass sie es nicht nur erfordert, die Annahme eines Preises von einem politischen Gegner scharf zu diskutieren und zu rechtfertigen, sonder die darüber hinaus den Drang und Mut hervorbringt, öffentlich für sie einstehen zu müssen auch unter Inkaufnahme der Beschädigung seines Images bei Zuschauern, Sendern, Förderern und Regierung.
Ich habe mich gefragt, warum ich kein Statement ähnlicher Kraft und mit ähnlichem Mut zum Eklat, geäußert an ähnlicher Stelle, von einem zeitgenössischen Filmemacher geschweige denn einem Filmemacher der jungen Generation, kenne.
Die lapidare Antwort: „Die Zeiten sind halt anders“ ist mir hier nicht genug. Braschs Rede liegt über 30 Jahre zurück, doch liegt mir eine revoluzzerhafte Nostalgie in diesem Zusammenhang fern - zu aktuell ist Braschs Anliegen.
Brasch verortet sich und die Kunst allgemein im Widerspruch zwischen dem anarchischen Anspruch, in der eigenen Arbeit subversiv den Staat anzugreifen und dies gleichzeitig mit dem Wohlwollen und Geld des Staates, gleichermaßen als „Komplize der Macht“ zu tun. Es ist für Brasch „der Widerspruch der Künstler im Zeitalter des Geldes schlechthin“.
Und er sieht dieses Zeitalter im Widerspruch „zwischen dem Zerfall der Ordnung, die Staat heißt und ihrem wütenden Überlebenskampf“. So wird spätestens mit Blick auf die „Eurokrise“ deutlich, dass auch Braschs – in seiner Opposition zu Strauß formulierte - politische Haltung nichts von ihrer Bedeutung verloren hat.
Doch offenbar sind „die Zeiten“ tatsächlich anders, denn obwohl es immer noch genug gibt, an dem man sich als Filmemacher politisch – auch Branchen- und Kulturpolitisch – reiben muss, scheint niemand mehr das Anliegen haben zu können, dies auch lautstark und an wirkungsvoller Stelle zu formulieren. Vor allem niemand vom Nachwuchs, wenn man bedenkt, dass Marcel Reich-Ranicki bei seiner Ablehnung des Fernsehpreises 2008 88 Jahre alt war.
Mir geht es gar nicht darum, zu bezweifeln, dass der einzelne Filmemacher sehr wohl eine politische Haltung haben kann und auch sicherlich bereit ist, die im kleinen Kreise auszubreiten – mir geht es um die Frage, wo die Courage zum Eintreten für diese Haltung im Zusammenhang mit filmischer Öffentlichkeit und dennoch jenseits der filmischen Arbeit geblieben ist. Ich frage mich, wie es dazu kommt, dass sich offenbar niemand mehr traut oder genötigt fühlt, berechtigte und wichtige Positionen durchaus auch mal polemisch zu äußern oder radikal zu vertreten.
Selbst im Zusammenhang mit einem Film wie „Deutschland 09“, der sich so politisch gibt (ohne dabei jedoch bis auf einige wenige lichte Momente Mut zu zeigen oder von einem ohnehin bereits formulierten Konsens abzuweichen) wird von den Beteiligten keine politische Haltung formuliert, die Diskurs ergeben könnte.
Filmemacher mit filmischer Haltung zu finden, die sich formal und inhaltlich nicht doch auf reaktionäre Modelle zurückführen lässt, scheint heute schwierig genug zu sein. Filmemacher mit politischer Haltung noch viel schwieriger. Und Filmemacher, die für ihre politische Überzeugung einstehen? Gefälligkeit findet längst nicht mehr nur im Medium selbst statt.
Ist es möglich, dass sich der Filmnachwuchs – die Filmmacher der Generation zwischen 25 und 40, diejenigen, die gerade aus einem studentischen, und schon deswegen eigentlich für Haltung prädestinierten, Umfeld kommen, vollends zu „Komplizen der Macht“ gemacht haben?
Natürlich kann Reich-Ranicki getrost den Deutschen Fernsehpreis verweigern. Das beschädigt seine Karriere nicht mehr.
Und liegt vielleicht genau hier der Grund für politische Passivität? Hat sich meine Generation von Wohlstandskindern vollends angepasst an eine Gesellschaft, in der man mit Businesstalk statt Meinung punktet, in der mehr über Preise als über Inhalte gesprochen wird, in der jedes Skandälchen nur noch Publicityinstrument ist? In der man weiß, dass Karriere davon abhängt, sich dem Mainstream zu ergeben? Führt das permanente Sich-Bewegen auf sender-, förderungs-, finanzierungs-, kultur- und marketingpolitischem Terrain, welches man heutzutage bereits an der Filmhochschule beigebracht bekommt, dazu, dass Filmemacher gelernt haben, sich politisch unkenntlich zu machen um überhaupt noch Filme machen zu können? Ist im ganzen Taktieren und Manövrieren der Mut zum Positionieren abhanden gekommen? Haben wir grundsätzlich gelernt, auf eine Meinung zu verzichten um vorankommen zu können?
Und muss das so sein?
Musiker und bildende Künstlern scheinen hier noch weniger Schwierigkeiten zu haben. Aber vielleicht liegt das weniger am Anliegen, als daran, dass ihnen der „Rückzug in eine privatisierende Kunstproduktion“, den Brasch als eine vermeintliche „Lösung“ des Widerspruchs anbietet, leichter fällt, weil ihre Produktionsweisen weniger Geld benötigen? Haben sich die Filmemacher mundtot machen lassen von Sender- und Finanzierungspolitik und sich so den Zugriff auf Gegenwartspolitik entzogen? Hat Film, als Medium, das per se abhängig von Kapital ist, grundsätzlich seinen Zugriff auf sie eingebüßt, schlicht weil er ihn sich nicht mehr leistet?
Oder handelt es sich nicht mal mehr um einen Widerspruch, der ja immerhin noch eine politische Dimension von (inneren) Auflehnung bedingen würde, sondern sind wir am Ende einfach eine Generation, die nur noch gefallen will, inkl. selbstkreiertem Image auf Facebook und der obligatorischen Homepage? Haben wir uns eine Gefälligkeit so sehr zu Eigen gemacht, dass sie Sehnsucht nach etwas anderem schlicht nicht mehr existiert? Sind selbst wir jungen Filmemacher, die ja doch immer noch für sich in Anspruch nehmen offen und wach zu sein, doch nur hoffnungslose Kinder jener ichbezogenen Generation Y, die letztlich nur auf ihr eigenes Auskommen schaut?
Und wären nicht beide Optionen – die unterdrückte Courage und das verlorene Bedürfnis zur Courage – furchtbare Perspektiven für den zu erwartenden filmischen Output?
Ich fordere gar nicht mehr politischen Inhalt im Sinne einer thematischen Auseinandersetzung mit Politik. Aber ich wünsche mir von Filmemachern, die in ihrem Schaffen bestenfalls ohnehin eine Zustandsbeschreibung der Welt liefern (wollen), dass sie ihre Sicht auf die Welt auch in ihrer Rolle als öffentliche Person – jenseits des Films – mitunter vielleicht auch polemisch vertreten würden; das sich Filmemacher nicht nur als „Film-Schaffende“ sondern ebenso als Menschen mit Meinung und Haltung (auch) in politischen Zusammenhängen begreifen und formulieren würden. Das wird uns die Angepassten nicht ersparen, aber es würde ihnen eine Opposition entgegenstellen.
Ich wünsche mir im deutschen Film eine Streitkultur. Grundsätzlich natürlich gerne durch und über mehr Filme mit Haltung, aber auch, dass sich eine Streitkultur aus den Haltungen der Filmemacher jenseits des Filmischen nährt und auch dort stattfindet.
Brasch - Das Wünschen und das Fürchten
Deutschland, 2011
Länge: 90 Min.
Regie: Christoph Rüter
Produktion: TAG/TRAUM Filmproduktion
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 03.11.2011
Standort:
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