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Montag, 16. März 2015

dffb JETZT!

Sehr geehrter Herr Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin,

wir verfolgen seit geraumer Zeit mit Erstaunen, wie an der DFFB ein neuer Direktor installiert werden soll, der durch keinerlei demokratisches Verfahren legitimiert ist. Diese Form der Hinterzimmerpolitik ist nicht fair gegenüber den Studenten, Mitarbeitern und Dozenten der DFFB, nicht gegenüber den Bürgern, die die DFFB finanzieren und auch nicht fair gegenüber den Kandidaten und Kandidatinnen, die damit beschädigt werden. Den größten Schaden nimmt der Ruf der DFFB, der in den letzten Jahren ohnehin schon gelitten hat.

Die DFFB ist eine Einrichtung des Landes Berlin.

Wir bitten Sie deshalb, dafür zu sorgen, dass bei dem Vergabeverfahren um den Direktorenposten demokratische Prinzipien wie Transparenz und Mitbestimmung eingehalten werden, wie sie für Hochschulen üblich und wichtig sind.

Mit freundlichen Grüßen

Filmschaffende - erste Unterzeichner

Franz Müller (Regisseur/Autor)
Benjamin Ikes (Filmeditor)
Bastian Trost (Schauspieler)
Dörte Franke (Regisseurin/Autorin)
Marc Bauder (Regisseur/Autor)
Benjamin Heisenberg (Regisseur/Autor)
Bettina Böhler (Filmeditorin)
Dietrich Brüggemann (Regisseur/Autor)
Matl Findel (Regisseur/ehemaliger Ex-Filmer)
Dirk Lütter (Kamera/Regisseur)
Steffi Niederzoll (Autorin/Regisseurin)
Tom Lass (Regisseur)
Ulrich Köhler (Regisseur/Autor)
Deniss Kacz (Filmemacher)
Kristl Philippi (Dramaturgin/Autorin)
Ekkehard Knörer (Filmkritiker)
Manon Heugel (Regisseurin)
Angelina Maccarone (Regisseurin/Autorin)
Fabian Joest Passamonte (Regisseur/Autor/Schauspieler)
Stefan Oliveira (Filmeditor)
Katharina Spiering (Schauspielerin)
Helvecio Marins (Regisseur)
Isabel Meier (Filmeditorin)
Juliane Friedrich (Szenenbild)
Iris Jansen (Autorin/Regisseurin)
Christine Lang (Filmemacherin)
Dirk Szuszies (Filmemacher)
Karin Kaper (Filmemacherin)
Christian Mrasek (Filmemacher)
Christine A. Maier (Kamerafrau)
Eva Könnemann (Filmemacherin)
Susanne Hopf (Szenenbildnerin)
Laura Tonke (Schauspielerin)
Stephan Geene (Filmemacher)
Valeska Grisebach (Regisseurin/Autorin)
Maike Mia Höhne (Kuratorin u.a. Berlinale Shorts/Regisseurin)
Jenny Lou Ziegel (Kamerafrau)
Nikolai Albrecht (Regisseur)
Minu Barati (Produzentin)
Katja Fedulova (Regisseur/Kamerafrau)
Franziska Krentzien (Regisseurin/ehemalige dffb Studentin)
Frank Behnke (Dozent an der dffb/Cutter/Sound Designer/Tonmeister/Regisseur/Schauspieler/Musiker/Autor)
Andreas Wodraschke (Filmeditor/Komponist)
Barbara Teufel (Regisseurin/Absolventin der dffb/Dozentin an der KHM)
Jan Speckenbach (Regie)
Thomas Arslan (Regisseur)
Florian Koerner von Gustorf (Produzent)
Michael Hammon (Regisseur/Kameramann)
Florian Baron (Regie)
Nina Fischer (Regisseurin/Absolventin der DFFB)
Maroan el Sani (Regisseur)
Christoph Tölle (Drehbuchautor/Kameramann)
Mari Cantu (Regisseurin/Absolventin der dffb)
Michael Kotschi (Kameramann)
Emily Atef (Regisseurin)
Maren-Kea Freese (Autorin/Regisseurin)
Henner Winkler (Regisseur)
Patricia Hector (Schauspielerin)
Mieke Ulfig (Videokünstlerin/Titel Design)

http://dffbjetzt.blogspot.de/2015/03/openpetition-neuaufnahme-und-reform-des.html

Montag, 17. Juni 2013

Stoppen Sie diesen Irrsinn!



An den Staatspräsidenten der Republik Türkei.

Sehr geehrter Herr Gül, ich schreibe Ihnen, um Sie über die Ereignisse vom Samstagabend zu informieren, da die türkischen Medien kaum bis gar nicht darüber berichtet haben. Samstagabend wurden in Istanbul erneut hunderte von Zivilisten durch Polizeigewalt verletzt. Ein 14jähriger Jugendlicher wurde von einer Tränengaspatrone am Kopf getroffen und hat Gehirnblutungen erlitten. Er ist nach einer Operation in ein künstliches Koma versetzt worden und schwebt in Lebensgefahr. Freiwillige Ärzte, die verletzten Demonstranten helfen wollten, wurden wegen Terrorverdacht festgenommen. Provisorische Lazarette wurden mit Tränengas beschossen. Anwälte, die gerufen wurden, festgenommene Demonstranten zu verteidigen, wurden ebenfalls festgenommen. 
Die Polizei feuerte Tränengaspatronen in geschlossene Räume, in denen sich Kinder aufgehalten haben. Die bedrohten und eingeschüchterten türkischen Nachrichtensender zeigten währenddessen belanglose Dokumentarfilme. Diejenigen, die versuchen über die Ereignisse zu berichten, werden mit hohen Geldstrafen und anderen Mitteln versucht, zum Schweigen zu bringen. Eine Trauerfeier für Ethem Sarisülük, der bei den Demonstrationen ums Leben gekommen ist, wurde verboten! Stattdessen darf ein Staatssekretär hervortreten und alle Demonstranten, die am Taksim Platz erschienen sind, als Terroristen bezeichnen. Und Sie, verehrter Staatspräsident, Sie schweigen!
Vor zehn Jahren sind Sie und Ihre Partei mit dem Versprechen angetreten, sich für die Grund- und Bürgerrechte eines jeden in der Türkei einzusetzen. Ich möchte nicht glauben, dass Sie sich um der Macht wegen von Ihrem Gewissen verabschiedet haben. Ich appelliere an Ihr Gewissen: Stoppen Sie diesen Irrsinn!

Fatih Akin

http://www.getidan.de/gesellschaft/runhard_sage/53619/filmregisseur-fatih-akin-in-den-turkischen-staatsprasidenten-abdullah-gul-in-einem-offenen-brief-stoppen-sie-diesen-irrsinn

Samstag, 14. April 2012

Krisengebiete?

"Ich [...] erkannte, dass die Märkte zwar im Zentrum einer Volkswirtschaft stehen, dem Staat aber eine wichtige, wenn auch begrenzte Rolle zukommt. Ich hatte mich sowohl mit Markt- als auch Staatsversagen beschäftigt, und ich war nicht so naiv zu glauben, der Staat könne jedes Marktversagen beheben."

Joseph Stieglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger, 2002

Montag, 23. Januar 2012

Vergebung.


Anlässlich der Auszeichnung von „Breaking the Waves“ als bester dänischer Film des Jahres 1997 meldete sich Lars von Trier mit einer Videobotschaft*.

Auch wenn sie als selbstgerechtes Nachtreten wahrgenommen werden kann, bin ich Fasziniert von Lars von Triers Konsequenz, öffentlich zu den Gefühlen zu stehen, die jeder Filmemacher so oder so ähnlich kennt und seinem (ihm eigenen) Mut zum Eklat.

„Wenn man einen Preis erhält, ist es üblich, sich bei den wichtigen Leuten zu bedanken. Aber wieso nicht das tun, was Bess** getan hätte und vergeben?

Liebes Preiskomitee, liebe Freunde, lasst mich diesen Leuten vergeben:

Gunnar Obel dafür, mir zu versprechen, ich wäre ein toter Mann beim Film, wenn ich nicht „Element of Crime“ mit ihm produzieren würde.
Lizzie Belaiche und Finn Aby dafür, uns kein Geld für eine Zugfahrkarte zu leihen, um Bernd Eichinger in Cannes zu treffen.
Bettina Heltberg dafür, dass sie 15 Minuten zu spät zu MEDEA kam, aber den Film auf der Titelseite ihrer Zeitung verissen hat.
Claes Kastholm dafür, mir noch immer neun Millionen Kronen zu schulden.
Tivi Magnusson dafür, sicherzustellen, dass ich fast vier Jahre vergeudete.
Georg Metz dafür, EUROPA nicht zu unterstützen und trotzdem sicherzugehen, dass sein Name im Abspann auftauchte.
Ole Michaelsen für die boshafteste Manipulation, die mir je untergekommen ist.
Sven-Aage gade für wenigstens eine widerwärtige Artikelreihe über mein Privatleben, die meine Familie sehr leiden ließ.
Ebbe Iversen, ein Kritikerm den ich als den Gentleman dieser Innung ansah, dafür, etwas so Dummes zu schreiben, dass er am Ende sich selbst bestrafte.
Arne Notkin, den ich als Freund betrachtete, für eine feige, niederträchtige Verfolgungskampagne.
Und am Wichtigsten natürlich, nahezu der ganzen Industrie für ihren entrüsteten Neid auf ein idealistisches, harmloses Projekt: Dogma.
Jytte Hansen und dem DFI dafür, sich vor Versprechen zu drücken, jedes Interesse an Filmen aufzugeben und sich einfach zu verkaufen.
Oh ja, und Peter Aalbak für den Versuch, zu verhindern, dass ich diese Rede halte.

Die Zeit erlaubt es mir nicht, noch jemanden zu erwähnen, aber es gibt noch Unzählige.

Danke für den Preis. Für Ihr Gerede und den Opportunismus. Ich vergebe euch allen. Was, verdammt noch mal, kann ich auch sonst tun?“


* zu finden im Bonusmaterial von „Geister“ (1994)
** die Hauptfigur in BTW

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Auflösung!

Ein offener Brief der Studenten der dffb an Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit:


Die Studenten der Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin
Potsdamer Straße 2
10785 Berlin

Nachricht an:
RA Matthias Trenczek
Kaiserdamm 100
14057 Berlin

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit
- Senatskanzlei -
Jüdenstraße 1
10178 Berlin

Zur Kenntnisnahme:
Direktion, Dozenten & Mitarbeiter der dffb
Das Kuratorium der dffb
Die Filmpresse

Offener Brief zur Auflösung sämtlicher Organe der studentischen Repräsentation an der Deutschen Film- und Fernsehakademie


Sehr geehrter Herr Wowereit,

hiermit möchten wir Sie darüber informieren, dass die StudentInnen der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) in der Vollversammlung vom 16.11.2011 beschlossen haben, sämtliche in den Statuten der dffb festgelegten Organe der studentischen Mitbestimmung (Studentenvertretung und studentische Vertretung im Akademischen Rat) nach vierzigjährigem Bestehen mit sofortiger Wirkung und ersatzlos aufzulösen.

Die vom Berliner Hochschulgesetz geregelte akademische Selbstverwaltung realisierte die dffb im Akademischen Rat. In diesem 1968 ins Leben gerufenen Gremium stimmten Studenten, Dozenten und Direktion über alle studienrelevanten Inhalte mit gleichem Stimmgewicht ab. Die Direktoren gaben so einen maßgeblichen Teil ihrer Macht ab, um das demokratische Ideal der Drittelparität zu verwirklichen.

Jan Schütte, seit 2010 Direktor der Akademie, hat das Gremium als Ort der Mitbestimmung von Studenten- und Dozentenschaft in der Praxis abgeschafft. Heute entscheidet die Direktion, welche Themen dort überhaupt verhandelt werden können, den Dozenten wird durch prekäre Anstellungsverhältnissen die Vertretung eigenständiger Positionen massiv erschwert. Ohnehin wurde der Akademische Rat im vergangenen Jahr nur ein einziges Mal einberufen und tagte unter Ausschluss der Akademieöffentlichkeit.

Die Vollversammlung hat in einem Brief den Vorsitzenden des Kuratoriums der dffb, Herrn Eberhard Junkersdorf, gebeten, diese Missstände zu beheben. Dieser Brief bleibt bis heute unbeantwortet.

Das Kuratorium reagiert nicht mehr auf Beschlüsse der Vollversammlung. Es nimmt seine Aufsichtsplichten nicht wahr. So findet keine Evaluation des Lehrbetriebs statt. Ebenso wenig stellt es sicher, dass die StudentInnen die kurrikulumsrelevanten Filmproduktionen machen können. Herr Schütte ist nicht an der dffb eingeführt worden, er hielt keine Antrittsrede.

Die studentische Vollversammlung stellt mit ihrer Entscheidung klar, dass sie nicht weiter eine Alibifunktion in einer dysfunktionalen akademischen Selbstverwaltung übernehmen will. Wir bitten Sie, die notwendigen Schritte einzuleiten, damit der akademische Betrieb der dffb wieder in vollem Umfang stattfinden kann.

Mit freundlichen Grüßen,
Die Studenten der dffb

Berlin, 14. Dezember 2011

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Feigheit vor dem Feind?

"Man kommt nicht darum herum, Farbe zu bekennen, und zu kämpfen. Dazu gehören Kampfverbände. Dazu gehören Bekenntnisse."

Rüdiger Suchsland schreibt auf artechock.de über die Förder- und Finanzierungsbedingungen in Deutschland und kritisiert, dass deutsche Filmemacher die politische Äußerung fürchten - sowohl inhaltlich-konkret als auch in einer grundsätzlichen Positionierung.

Ein spannender Artikel, der im Kern dem entspricht, worüber ich mir hier Gedanken mache.

Montag, 7. November 2011

Rebellion?

Thomas Brasch und Franz Josef Strauß

In Christoph Rüters essayistischem Dokumentarfilm „Brasch - Das Wünschen und das Fürchten“ gibt es eine Szene, in der Thomas Brasch für seinen Film „Engel aus Eisen“ vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß mit dem Bayerischen Filmpreis 1981 ausgezeichnet wird. Brasch – linker Schriftsteller, Dichter und Filmemacher, der wenige Jahre zuvor aus der DDR emigriert war – kommt auf die Bühne und der Preis ist völlig nebensächlich für ihn – fast scheint es, er will ihn gar nicht von Strauß annehmen, so sehr drängt es ihn, eine Begründung abzugeben, in der er die, in seinem Umfeld stark umstrittene Annahme des Preises aus Strauß’ Händen erklärt. Durch seine Rede kommt es beinahe zum Eklat – offen spricht Brasch seine politische Differenz zu Strauß und seine generelle Opposition zum Staat sowie seine Bedenken, die mit der Annahme des Preises verbunden sind, aus.

Dieses Eintreten für eine politische Haltung hat mich tief beeindruckt. Da ist ein Filmemacher, der ein Anliegen auch jenseits seines Filmemachens hat und dies ganz unabhängig von den eventuellen Folgen für eben dieses Filmemachen formuliert.
Dort hat ein Filmemacher eine politische Haltung, die so ernst ist, dass sie es nicht nur erfordert, die Annahme eines Preises von einem politischen Gegner scharf zu diskutieren und zu rechtfertigen, sonder die darüber hinaus den Drang und Mut hervorbringt, öffentlich für sie einstehen zu müssen auch unter Inkaufnahme der Beschädigung seines Images bei Zuschauern, Sendern, Förderern und Regierung.

Ich habe mich gefragt, warum ich kein Statement ähnlicher Kraft und mit ähnlichem Mut zum Eklat, geäußert an ähnlicher Stelle, von einem zeitgenössischen Filmemacher geschweige denn einem Filmemacher der jungen Generation, kenne.

Die lapidare Antwort: „Die Zeiten sind halt anders“ ist mir hier nicht genug. Braschs Rede liegt über 30 Jahre zurück, doch liegt mir eine revoluzzerhafte Nostalgie in diesem Zusammenhang fern - zu aktuell ist Braschs Anliegen.

Brasch verortet sich und die Kunst allgemein im Widerspruch zwischen dem anarchischen Anspruch, in der eigenen Arbeit subversiv den Staat anzugreifen und dies gleichzeitig mit dem Wohlwollen und Geld des Staates, gleichermaßen als „Komplize der Macht“ zu tun. Es ist für Brasch „der Widerspruch der Künstler im Zeitalter des Geldes schlechthin“.
Und er sieht dieses Zeitalter im Widerspruch „zwischen dem Zerfall der Ordnung, die Staat heißt und ihrem wütenden Überlebenskampf“. So wird spätestens mit Blick auf die „Eurokrise“ deutlich, dass auch Braschs – in seiner Opposition zu Strauß formulierte - politische Haltung nichts von ihrer Bedeutung verloren hat.

Doch offenbar sind „die Zeiten“ tatsächlich anders, denn obwohl es immer noch genug gibt, an dem man sich als Filmemacher politisch – auch Branchen- und Kulturpolitisch – reiben muss, scheint niemand mehr das Anliegen haben zu können, dies auch lautstark und an wirkungsvoller Stelle zu formulieren. Vor allem niemand vom Nachwuchs, wenn man bedenkt, dass Marcel Reich-Ranicki bei seiner Ablehnung des Fernsehpreises 2008 88 Jahre alt war.
Mir geht es gar nicht darum, zu bezweifeln, dass der einzelne Filmemacher sehr wohl eine politische Haltung haben kann und auch sicherlich bereit ist, die im kleinen Kreise auszubreiten – mir geht es um die Frage, wo die Courage zum Eintreten für diese Haltung im Zusammenhang mit filmischer Öffentlichkeit und dennoch jenseits der filmischen Arbeit geblieben ist. Ich frage mich, wie es dazu kommt, dass sich offenbar niemand mehr traut oder genötigt fühlt, berechtigte und wichtige Positionen durchaus auch mal polemisch zu äußern oder radikal zu vertreten.

Selbst im Zusammenhang mit einem Film wie „Deutschland 09“, der sich so politisch gibt (ohne dabei jedoch bis auf einige wenige lichte Momente Mut zu zeigen oder von einem ohnehin bereits formulierten Konsens abzuweichen) wird von den Beteiligten keine politische Haltung formuliert, die Diskurs ergeben könnte.

Filmemacher mit filmischer Haltung zu finden, die sich formal und inhaltlich nicht doch auf reaktionäre Modelle zurückführen lässt, scheint heute schwierig genug zu sein. Filmemacher mit politischer Haltung noch viel schwieriger. Und Filmemacher, die für ihre politische Überzeugung einstehen? Gefälligkeit findet längst nicht mehr nur im Medium selbst statt.

Ist es möglich, dass sich der Filmnachwuchs – die Filmmacher der Generation zwischen 25 und 40, diejenigen, die gerade aus einem studentischen, und schon deswegen eigentlich für Haltung prädestinierten, Umfeld kommen, vollends zu „Komplizen der Macht“ gemacht haben?

Natürlich kann Reich-Ranicki getrost den Deutschen Fernsehpreis verweigern. Das beschädigt seine Karriere nicht mehr.

Und liegt vielleicht genau hier der Grund für politische Passivität? Hat sich meine Generation von Wohlstandskindern vollends angepasst an eine Gesellschaft, in der man mit Businesstalk statt Meinung punktet, in der mehr über Preise als über Inhalte gesprochen wird, in der jedes Skandälchen nur noch Publicityinstrument ist? In der man weiß, dass Karriere davon abhängt, sich dem Mainstream zu ergeben? Führt das permanente Sich-Bewegen auf sender-, förderungs-, finanzierungs-, kultur- und marketingpolitischem Terrain, welches man heutzutage bereits an der Filmhochschule beigebracht bekommt, dazu, dass Filmemacher gelernt haben, sich politisch unkenntlich zu machen um überhaupt noch Filme machen zu können? Ist im ganzen Taktieren und Manövrieren der Mut zum Positionieren abhanden gekommen? Haben wir grundsätzlich gelernt, auf eine Meinung zu verzichten um vorankommen zu können?
Und muss das so sein?

Musiker und bildende Künstlern scheinen hier noch weniger Schwierigkeiten zu haben. Aber vielleicht liegt das weniger am Anliegen, als daran, dass ihnen der „Rückzug in eine privatisierende Kunstproduktion“, den Brasch als eine vermeintliche „Lösung“ des Widerspruchs anbietet, leichter fällt, weil ihre Produktionsweisen weniger Geld benötigen? Haben sich die Filmemacher mundtot machen lassen von Sender- und Finanzierungspolitik und sich so den Zugriff auf Gegenwartspolitik entzogen? Hat Film, als Medium, das per se abhängig von Kapital ist, grundsätzlich seinen Zugriff auf sie eingebüßt, schlicht weil er ihn sich nicht mehr leistet?

Oder handelt es sich nicht mal mehr um einen Widerspruch, der ja immerhin noch eine politische Dimension von (inneren) Auflehnung bedingen würde, sondern sind wir am Ende einfach eine Generation, die nur noch gefallen will, inkl. selbstkreiertem Image auf Facebook und der obligatorischen Homepage? Haben wir uns eine Gefälligkeit so sehr zu Eigen gemacht, dass sie Sehnsucht nach etwas anderem schlicht nicht mehr existiert? Sind selbst wir jungen Filmemacher, die ja doch immer noch für sich in Anspruch nehmen offen und wach zu sein, doch nur hoffnungslose Kinder jener ichbezogenen Generation Y, die letztlich nur auf ihr eigenes Auskommen schaut?

Und wären nicht beide Optionen – die unterdrückte Courage und das verlorene Bedürfnis zur Courage – furchtbare Perspektiven für den zu erwartenden filmischen Output?

Ich fordere gar nicht mehr politischen Inhalt im Sinne einer thematischen Auseinandersetzung mit Politik. Aber ich wünsche mir von Filmemachern, die in ihrem Schaffen bestenfalls ohnehin eine Zustandsbeschreibung der Welt liefern (wollen), dass sie ihre Sicht auf die Welt auch in ihrer Rolle als öffentliche Person – jenseits des Films – mitunter vielleicht auch polemisch vertreten würden; das sich Filmemacher nicht nur als „Film-Schaffende“ sondern ebenso als Menschen mit Meinung und Haltung (auch) in politischen Zusammenhängen begreifen und formulieren würden. Das wird uns die Angepassten nicht ersparen, aber es würde ihnen eine Opposition entgegenstellen.

Ich wünsche mir im deutschen Film eine Streitkultur. Grundsätzlich natürlich gerne durch und über mehr Filme mit Haltung, aber auch, dass sich eine Streitkultur aus den Haltungen der Filmemacher jenseits des Filmischen nährt und auch dort stattfindet.


Brasch - Das Wünschen und das Fürchten
Deutschland, 2011
Länge: 90 Min.
Regie: Christoph Rüter
Produktion: TAG/TRAUM Filmproduktion
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 03.11.2011